Auswanderer-Motive: Flucht nach vorne oder vor sich selbst?
Liebe Auswandertips-Leser,
ich möchte mich heute wieder einmal den Motiven einer Auswanderung widmen. Im Kontakt mit vielen Menschen, die sich nach einer Veränderung in ihrem Leben sehnen, gibt es viele Gründe, die diese Sehnsucht nähren. Zusammengefasst haben wir die häufigsten Gründe für eine Auswanderung bereits hier gesammelt. Im direkten Kontakt geben wir als Portal keine direkten Antworten oder Lösungen vor, wie versuchen im Gespräch das Bewusstsein für den großen Schritt zu schärfen, denn eines muss man bei der Auswanderromantik schon im Hinterkopf behalten, man setzt mit diesem Schritt meist seine komplette Existenz aufs Spiel.
Wenn zum Beispiel eine Anfrage zu uns kommt, ob man denn nicht mit dem Hartz IV Geld besser in Asien leben könne und was man den Behörden sagen soll, damit das genehmigt wird, dann frage ich mich schon, was es mit so einer Absicht auf sich hat. Natürlich möchte man aus seinen Möglichkeiten immer das Maximum herausholen. Der Mensch ist an und für sich bequem und gibt es die Möglichkeit auf diese wesentliche Erleichterung, so wird er den leichteren Weg wählen oder zumindest immer davon träumen. Aber ist das der richtige Traum?
Jede Entscheidung oder Entschluss ist natürlich vom Willen genährt, dass sich an der Situation etwas ändern muss. Die Flucht nach vorne, wenn hier nichts mehr geht, dann muss es woanders doch einfach klappen. Aktiv werden und etwas ändern. Doch betrifft diese Änderung nur das Außen und nicht sein Innerstes, das viel öfters Ursache und Grund für die Unzufriedenheit ist. Das Zeigen mit dem Finger von uns weg ist generell viel einfacher. Die Gründe für eine Situation werden immer in unserem Drumherum ausgemacht, identifiziert und bewältigt. „Ich möchte ja, aber ich kann einfach nichts tun. Ich habe immer gehofft es wird besser, aber es wurde nie besser…“ Ich habe keinerlei psychologische Ausbildung, doch kann es mit dieser Einstellung auch nicht wirklich funktionieren.
Kennen Sie die Geschichte von dem Mann, der unabsichtlich in einem Kühlraum eingesperrt wurde und starb? Nachdem er so lange an der Tür gerüttelt hat, wusste, dass vor dem Morgen niemand die Tür öffnen würde, hat er sich mit dem sicheren Tod und der Gewissheit abgefunden und seine letzten Stunden vor dem Tod mit dem Schreiben eines langen Abschiedsbriefes getröstet. Er verstarb bevor am nächsten Morgen der erste Arbeiter den Kühlraum öffnete. Jede Hilfe kam zu spät. Tragisch, aber nicht sehr bemerkenswert, werden sie jetzt denken. Das seltsame an dieser Geschichte aber war, dass das Kühlaggregat ausgefallen war und der Mann eigentlich nicht erfroren wäre. Dennoch hatte sein Herz aufgehört zu schlagen. Es war keine Hoffnung mehr, darum hatte er aufgegeben und sich seinem Schicksal ergeben.
In der Beobachtung des täglichen Lebens, egal ob es um das Thema Auswandern, Jobs oder andere Dinge geht, sieht man heute verstärkt kaum mehr einen Willen durchzuhalten. Viel zu schnell werden Herausforderungen zu viel, hoffnungslos oder lieber aufgegeben, weil man sich die Finger daran verbrennen könnte. Das zieht sich durch alle Lebenslagen, durch alle Altersgruppen und durch alle Themen dieser Welt. Die Zeit auf dieser Welt ist begrenzt, also warum an etwas festhalten, warum um etwas kämpfen, wenn uns die Welt doch unbegrenzte Möglichkeiten bietet. Geht es sich hier nicht aus, dann probiere ich es einfach nochmal neu, an einem Ort, wo die Vorgaben leichter zu erfüllen sind. Die Lebenserhaltungskosten viel günstiger, die Steuern viel niedriger oder der Winter viel wärmer ist. Wenn ich dort erneut scheitere, dann geh ich wieder einen Schritt zurück, suche mir ein noch günstigeres Land oder kehre mit etwas Reue in den Sozialstaat zurück, der mich doch auffangen muss. Im Grunde lehrt uns diese Erfahrung nur eines, dass der Grund meines Problems nicht im Außen, sondern tief in meinem Inneren zu finden ist. Und das nimmt man nun mal auch überall hin mit.
Andererseits bewundern wir erfolgreiche Startups, die ihre genialen Ideen in die Tat umgesetzt haben. Sich nicht beirren haben lassen, drangeblieben sind und für ihren Traum gebrannt haben. Alles aufs Spiel gesetzt haben um das zu verwirklichen, an das niemand außer sie geglaubt hat. Blickt man hinter die Kulissen dieser Geschichten, so gab es auch hier oft schier unlösbare Situationen, das Schlafen auf der Couch bei Freunden, weil man die Miete nicht mehr zusammenkratzen konnte, das Verwerfen des Prototyps, weil keiner das Ding kaufen wollte, oder die Produktion einfach zu aufwändig oder zu teuer war. Das mehrmalige Scheitern, bis man endlich eine Lösung gefunden hat, die mit der richtigen Portion Fleiß aber auch Glück schlussendlich zum Erfolg geführt haben. Lesen Sie die Biografien aller heute so erfolgreichen Unternehmen, keiner von Ihnen hat aufgegeben.
Es gibt natürlich berechtigte Gründe oder Voraussetzungen, die eine Auswanderung durchaus sinnvoll machen. Nicht zu vergessen eine Flucht vor Krieg, wie es uns Tag täglich gezeigt wird. Das ist etwas komplett Anderes. Es ist der „Trend“ unserer Zeit, den ich offen kritisieren möchte. Dieser völlig falsche Eindruck, der über die Medien vermittelt wird. Sehe ich mir die Geschichten länger und genauer an, dann sind es meist die, die es auch zu Hause gemeistert haben, die es auch woanders schaffen. Sie machen mit der Auswanderung einen Schritt nach Vorne und fliehen nicht vor dem jetzt und hier. Sie müssen den Schritt nicht tun, sie möchten es probieren.
Sie öffnen selbständig die Tür des Kühlraums und sind nicht auf die Hoffnung angewiesen, dass jemand am nächsten Morgen frühzeitig kommt und die Türe für sie öffnet.
Keine Angst, es kommen wieder mehr Interviews & informative Artikel, doch manchmal muss man auch diese Themen ansprechen.