Liebe Auswandertips Leser,

ich hoffe Ihr seid gut ins Jahr 2014 gestartet. Unsere Gastautorin Angela hat sich wieder aus Neuseeland gemeldet. Diesmal ist das Thema ein ganz wichtiger Aspekt beim Auswandern und zwar die Frage der „Flexibilität“. Oft zu sehen in den diversen Auswanderer-TV-Formaten sind Mißverständnisse oder große Enttäuschen, weil man erst nach dem Schritt ins Ausland bemerkt, dass hier nicht alles so läuft wie zu Hause. Wir möchten aber nicht vorgreifen und Euch Angela’s Worte natürlich nicht vorenthalten.

Das hört sich jeder gerne sagen: „klar bin ich flexibel!“ Aber wie ist das wenn es denn dann auf den Prüfstand kommt? Kannst du wirklich ganz spontan anders reagieren, wie sonst immer?
Flexibilität ist oft gefragt in den ersten Tagen und Monaten in einem neuen Land. Ein ganz besonderes Beispiel gibt es von meinem lieben Mann, als er während der Immigrationsformalitäten öfter zur Einwanderungsbehörde ging.

Hier in Neuseeland wird die englische Kultur des ‚queuings‘ gepflegt, was man als Deutscher als solches ja nicht unbedingt kennt. Während er also in der Warteschlange stand, um mal wieder mit einem Officer zu sprechen, um ein weiteres Detail der Formalitäten, die notwendig waren zu besprechen, beobachtete er, wie viele, weil frustriert durch Warten und Sprachbarriere und Formulare, ganz schön grantig und unhöflich mit den Officern umgegangen sind. Dadurch, dass er Zeit hatte, weil er ja warten musste, überlegte er sich, dass das nun als Mensch, der dort arbeitet ja auch nicht so prickelnd ist, wenn man ständig angeraunzt wird. Auf der anderen Seite, das Ausfüllen von Formularen macht ihm auch keinen Spaß, ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass er es ÜBERHAUPT nicht mag Formulare auszufüllen. So beschloss er also flexibel zu sein, und seine Reaktion den Officer gegenüber ganz bewusst freundlich zu halten. (Nicht dass er ein unfreundlicher Mensch ist, ganz im Gegenteil, aber in solchen Situationen ist es ja so einfach, seiner eigenen Stimmung einfach nachzugeben.)

Er begrüßte die Officer also immer mit einem Lächeln und ihrem Namen. Somit hat sich also schon jeder als Mensch gefühlt, und nicht als ein leidiges Gegenüber. Dann wurde noch die ganze online Präsenz gewürdigt und dass das alles ganz ausserordentlich sei, aber da noch eine Frage offen sein… Ob sie denn bitte weiterhelfen könnten? Er hat immer mehr als die benötigte Unterstützung bekommen und alles nur, weil er flexibel war und seiner ersten, alten Reaktion nicht nachgab, grantig und mit Abwehr auf die Formalitäten zu reagieren.

Es gibt Schritte, die getan werden müssen, um dorthin zu kommen, wo man hin möchte. Und das ist genau der Punkt wo wir flexibel sein sollten. Wenn wir also in einer Situation sind, durch die wir einfach durch müssen, können wir uns sträuben und sagen: „ Ja aber, das haben wir immer so und so gemacht!“ oder „Das seh ich jetzt nicht ein, dass ich das oder warum ich das so machen soll.“ So eine Einstellung macht einem natürlich das Leben schwer und ist nicht wirklich hilfreich geschweige denn lustig. Wenn wir es also schaffen flexibel ‚in der Birne‘ zu sein, gehen wir mit dem Fluss der Dinge. Sei es nun die technische Abfolge vom Immigrationsprozess, der Ablauf des Schulalltags, wie Bewerbungen geschrieben werden, wie Supermärkte eingeräumt sind, Auto fahren, Lernmethoden, Mietsystem oder der ganz normale soziale Umgang miteinander, Flexibilität macht es einem einfacher. Wenn man nicht flexibel ist und auf den Weg pocht, den man bisher immer gegangen ist, oder eben Verhaltensweisen oder Umgangsformen, dann kann das schnell mal zu einer Isolation führen, die man ja natürlich vermeiden möchte.

Als wir nach Neuseeland kamen wurden wir täglich darauf hin geprüft, ob wir es aushalten können, anders zu reagieren wie all die Jahrzehnte davor. Das ging mal leichter und mal weniger leicht, je nachdem in welchem Bereich es stattfand und in welcher Stimmungslage wir gerade waren. Nicht immer erwartet man die Notwendigkeit sich flexibel verhalten zu müssen. Ganz alltägliches, wie zB Einkaufen hat mich am Anfang viel Zeit gebraucht. Supermärkte sind nach einer anderen ‚Logik‘ eingeräumt, die Verpackungen schauen anders aus usw. Da wäre es ein leichtes gewesen, auf die internationalen Brands zurückzugreifen, die praktisch überall gleich ausschaue. Wollte ich aber nicht! Ich war flexibel genug, um mich durch die Gänge langsam vorwärtszubewegen und die Beschriftungen der Produkte zu lesen. Da war meine Offenheit für die neuen Dinge, die hier in Neuseeland angeboten werden natürlich von Vorteil. Offenheit ist das i-Tüpfelchen für die erfolgreiche Einwanderung, und das Thema meines nächsten und letzten Artikels.

Ich möchte mich noch kurz für meinen verspäteten Artikel hier entschuldigen. Hier kommen das Ende des Schuljahres, Frühling/Sommeranfang und Vorweihnachtszeit zusammen. Die Tage werden länger, die Grillparties, Besuche am Strand, Straßenfeste und andere Sommeraktivitäten fangen an. Dies ist also eine ganz andere Art von Weihnachtsstimmung, die man hier hat. Viele sagen, oh aber zu Weihnachten braucht man doch Schnee und kalt, aber ich sag einfach immer, dass das Wetter nicht wirklich an der Essenz von Weihnachten rüttelt. (Baby Jesus ist ja auch nicht im Schnee geboren worden) Wir sind flexibel genug, um einen Weihnachtsmann in kurzen Hosen am Strand zu begrüßen und erfreuen uns unseres künstlichen Tannenbaumes, da ein natürlicher einfach zu schnell austrocknen würde.

Hätte mir vor 10 Jahren jemand gesagt, dass ich mal einen Plastikweihnachtsbaum haben werde, hätte ich denjenigen ausgelacht. Flexibilität macht‘s möglich trotzdem Spaß zu haben, auch wenn was anders als gewohnt ist.

Hiermit also ein erfolgreiches Jahr 2014 euch allen!

 

Liebe Angela, vielen Dank für diesen Beitrag. Wir finden diesen Punkt äußerst wichtig, da man oft erst in der Situation selbst auf die eigenen Stärken bzw. Schwächen stößt und man leider zu oft im Leben bemerkt, wie viele Scheuklappen man mit den Jahren unbewußt aufgebaut hat…